Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Neutralitätsgebot

Es gibt in der politischen Bildung kein explizites Neutralitätsgebot, zumindest was die Art und Weise der pädagogischen Vermittlung in den Kursen, Seminaren oder Workshops sowie die Auswahl ihrer Themen betrifft. Wenn in diesem Zusammenhang auf das „Überwältigungsverbot“ des Beutelsbacher Konsens verwiesen wird, dann ist das falsch oder von der Absicht bestimmt, politischer Bildung das abzusprechen, was sie ihren Teilnehmer*innen vermitteln will: Kritik- und Konfliktfähigkeit. Der Beutelsbacher Konsens unterscheidet strikt zwischen Bildung und Indoktrination 

So wie in anderen wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Handlungsfeldern auch haben die in der politischen Bildung Beteiligten – Pädagog*innen, Bildungspolitiker*innen und Teilnehmer*innen – ein „erkenntnisleitendes Interesse“ (Habermas 1968, 155).  Das allein macht ein Neutralitätsgebot zur Ideologie oder zur Illusion. Wohl aber muss politische Bildung davor bewahrt werden, zu einem partei- oder gruppenbezogenen Instrument zu werden. In diesem Fall ist ihre Neutralität ein Gebot. 

Da sich im Spektrum ihrer Träger die Pluralität politischer Bildung widerspiegelt, sind Grenzen und Reichweite der Bildungsarbeit auch verschieden. Es ist ein Unterschied, ob man für einen öffentlichen oder einen freien Träger arbeitet. Die öffentlichen Träger vertreten keine partikularen Interessen, die freien Träger beziehen ihr Angebot auf ihnen nahestehende Gruppen der Bevölkerung. Das hat Folgen für die thematische Breite oder Enge der jeweiligen Bildungsangebote und das Ausmaß an Neutralität. 

Die Grenze eines Neutralitätsanspruchs zeigt der immer wieder zitierte Satz von Horst Siebert: „Erwachsene sind lernfähig, aber meist unbelehrbar.“ (Siebert 2015, 91) Mündige Erwachsene würden Widerstand zeigen, sollten von ihnen besuchte Veranstaltungen „neutralisiert“ werden, gerade bei herausfordernden Themen wie z.B. Rechtsextremismus, Verschwörungsfantasien oder Klimaschutz. 

Weiterlesen:

  • Habermas, Jürgen (1968): Technik und Wissenschaft als Ideologie, Frankfurt/Main
  • Siebert, Horst (2015): Erwachsene – lernfähig, aber umberehrbar? Was der Konstruktivismus für die politische Bildung leistet, Schwalbach/Ts.
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Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politik- und Bildungswissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Bildung sowie mit der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und -extremismus.

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Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

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