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Grundbegriffe
der Politischen Bildung
Indoktrination
„Wer indoktriniert, möchte anderen seine eigene Sicht der Dinge aufdrängen. Das geschieht in der Regel dadurch, daß widersprechende Meinung aus der Darstellung eines Sachverhalts ausgeblendet werden und damit ein selbständiges Urteil erschwert bzw. verhindert wird. […] Weil dieser Punkt so wichtig ist, handelt der erste Grundsatz des Beutelsbacher Konsenses vom ‚Überwältigungsverbot‘“ (Schiele 1999: 107).
Politische Bildung soll mit ihrer Zielbestimmung dazu beitragen, dass Menschen eine „gezielte, massive Manipulation der Einstellung, Meinung oder Werthaltung von Individuen oder (gesellschaftlichen) Gruppen durch gesteuerte, einseitige Information, unter Einsatz psychologischer Techniken oder unter Zwang“ (Schubert/Klein 2020) erkennen und kritisch beurteilen können. Unabhängig von Indoktrinationsversuchen sollen sie sich frei eine eigene Meinung bilden und Kritik üben können.
Die Gefahr einer Indoktrination wird auch für das pädagogische Verhältnis in der politischen Bildung betont, weshalb ein Indoktrinationsverbot sowohl im Überwältigungsverbot als auch im zweiten Grundsatz (Kontroversitätsgebot) des sogenannten Beutelsbacher Konsenses hervorgehoben wird.
Im Beutelsbacher Konsens wurde in den 1970er-Jahren ein, über Parteien und politische Positionen hinweg konsensfähiges, professionelles Selbstverständnis politischer Bildung formuliert (vgl. Overwien 2019).
Über alle Praxisfelder hinweg wurde und wird über das Indoktrinationsverbot ausdauernd kontrovers debattiert. So konstatierte Nonnenmacher, dass das Indoktrinationsverbot zwar „ideologieneutral und in aller Unschuld evident“ scheine (Nonnenmacher 2011: 90). „Als ideologieverdächtig und damit als potentielle Manipulateure“ (ebd.) aber diejenigen gelten, „die diese Gesellschaft als demokratisch defizitär kritisieren und die vor allem die Fragen nach demokratischer und sozial gerechter Verfassung der Gesellschaften zum Maßstab der Urteilsbildung auch in der schulischen politischen Bildung machen wollen“ (ebd.). Weiterhin werden, unter Berufung auf den Beutelsbacher Konsens „alle Versuche, zivilgesellschaftliches Handeln, das aus dem politischen Unterricht entsteht, vor allem dann, wen es sich mit demonstrativen Protestformen gegen herrschende Strukturen wendet, als Aktionismus diffamiert“ (a.a.O: 92).
Gestritten wird auch über ein emotionales Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden und emotionalisierende didaktische Mittel und Methoden als potenziell indoktrinierende, weil nicht rationale und reflexive, Faktoren im Bildungsprozess.Thomas Krüger beschreibt es als notwendig, eine „Neuinterpretation des Beutelsbacher Konsenses“ (Krüger 2020: 183) vorzunehmen und „über das Überwältigungsverbot neu nachzudenken“ (a.a.O.: 182). Ohne die Gültigkeit des Indoktrinationsverbots infrage zu stellen, sollte jedoch gefragt werden, „mit welchen Formaten über die rein informative Wissensvermittlung hinaus politische Bildung stattfinden“ (ebd.) und über „Emotionen in der politischen Bildung“ (ebd.) nachgedacht werden kann.
- Besand, Anja / Overwien, Bernd / Zorn, Peter (Hrsg.) (2019): Politische Bildung mit Gefühl. Bonn. Schriftenreihe Bundeszentrale für Politische Bildung/bpb (Bd. 10299)
- Krüger, Thomas (2020): Beutelsbach 2.0 – zehn Thesen zur politischen Bildung. In: Hentges, Gudrun (Hrsg.): Krise der Demokratie – Demokratie in der Krise? Gesellschaftsdiagnosen und Herausforderungen für die politische Bildung. Frankfurt a.M., S. 177-193
- Nonnenmacher, Frank (2011): Handlungsorientierung und politische Aktion in der schulischen politischen Bildung. Ursprünge, Grenzen und Herausforderungen. In: Widmaier, Benedikt / Nonnenmacher, Frank (Hrsg.): Partizipation als Bildungsziel. Politische Aktion in der Politischen Bildung. Schwalbach/Ts. S. 83-110
- Overwien, Bernd (2019): Politische Bildung ist nicht neutral. In: WOCHENSCHAU Verlag Dr. Kurt Debus GmbH (Hrsg.): Shrinking Spaces. Demokratie gegen Menschenfeindlichkeit. Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis. Frankfurt, S. 26-38
- Sämann, Jana (2021): Neutralitätspostulate als Delegitimationsstrategie. Eine Analyse von Einflussnahmeversuchen auf die außerschulische politische Jugendbildungsarbeit. Frankfurt a.M.
- Schiele, Siegfried (1999): Indoktrination. In: Richter, Dagmar / Weisseno, Georg (Hrsg.): Lexikon der politischen Bildung. Bd.1, Didaktik und Schule. Schwalbach/TS. S. 107
- Schubert, Klaus / Klein, Martina (2020): Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2020. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/296382/indoktrination (abgerufen am 29.09.2021)
- Widmaier, Benedikt / Zorn, Peter (Hrsg.) (2016): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Eine Debatte der politischen Bildung? Bonn. Schriftenreihe Bundeszentrale für politische Bildung/bpb (Bd. 1793)
Transfer für Bildung e.V.
Der Verein Transfer für Bildung e.V. setzt sich für die politische und kulturelle Bildung ein. Er fördert deren Beforschung, Beratung und Begleitung der Praxis und unterstützt den Dialog von Wissenschaft, Praxis und Politik in diesen Bereichen.
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Grundbegriffe der Politischen Bildung
Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.