Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Herrschaft

Max Weber hat „Herrschaft“ als „die Chance [definiert, KPH], Gehorsam für einen bestimmten Befehl zu finden [ .]“ (Weber 1968, 15). Er unterscheidet „drei reine Typen der legitimen Herrschaft“ (ebd.): Legale Herrschaft, traditionelle Herrschaft, charismatische Herrschaft (ebd., 151 – 166). Die Herrschaftsmerkmale „Gehorsam“ und „Befehl“ sind Kategorien, die im Widerspruch zur Verfasstheit einer Demokratie stehen. Gleichwohl bleibt es auch da nicht ausgeschlossen, dass Herrschaft auf einer hierarchischen Situation beruht. Entscheidend für die Vereinbarkeit von Herrschaft und Demokratie ist das Attribut „legal“, d.h. hier muss Herrschaft durch normierte Verfahren zustande kommen, sie kann auf diesem Weg aber auch wieder entzogen werden.

Sich damit auseinanderzusetzen, ist ein zentrales Thema für politische Bildung. Vor allem in den ausgehenden 1960er und den 1970er Jahren, in der Phase eines „emanzipatorischen Aufbruchs“ (Hufer 2016, 31), wurde Demokratisierung eingefordert und Kritikfähigkeit zu einer didaktischen Kategorie. Meinungsführende Politikdidaktiker*innen hatten den bisherigen „affirmativen Charakter der Politischen Bildung“ (Schmiederer 1977, 25) angeprangert: „Politische Bildung ist in ihrer gesellschaftlichen Funktion nach wie vor eine Veranstaltung zur Absicherung der in der jeweiligen Gesellschaft bestehenden Herrschaftsstruktur, Besitzverhältnisse. Privilegien, Autoritätsverhältnissen usw.“ (ebd. 24)

In den 1980er Jahren war in der politischen Bildung zunächst von Herrschaftskritik kaum noch die Rede. Doch die Herrschaftsverhältnisse bestehen weiter und haben neue Formen angenommen. Einerseits sind sie jetzt eher global und virtuell, d.h. weniger fassbar und erkennbar. Andererseits ist die Gesellschaft vielfältiger geworden und marginalisierte Gruppen fordern ihre Rechte ein. Antirassistische und diversitätsorientierte Diskurse setzen sich kritisch mit entsprechenden Herrschaftsverhältnissen auseinander. Hier Position zu beziehen, die Diversität darzustellen und Betroffene aktiv einzubeziehen, sind aktuelle Themen und Formen der politischen Bildung.  Daher spielt die Auseinandersetzung mit „Macht und Herrschaft“ bei jüngeren Politischen Bildner*innen wieder eine Rolle (siehe Hufer/Oeftering/Oppermann 2021, 255), wenn auch nicht mehr so zentral wie 50 Jahre vorher.

Doch wie sollen das Thema Herrschaft und die Kritik an ihr pädagogisch umgesetzt werden? Konsequent ist Herrschaftskritik, wenn sie öffentlich wird. Sie ist daher eng verbunden mit dem Prinzip der Handlungsorientierung. Das wird den Widerspruch derjenigen hervorrufen, die Nutznießer*innen von Herrschaft sind und diese ausüben.

Weiterlesen:

  • Hufer, Klaus-Peter: Politische Erwachsenenbildung. Plädoyer für eine vernachlässigte Disziplin, Bielefeld 2916
  • Hufer, Klaus-Peter/Oeftering, Tonio/Oppermann, Julia (Hrsg.): Positionen der politischen Bildung 3, Interviews zur außerschulischen Jugend- und Erwachsenbildung, , Frankfurt/Ma. 2021
  • Schmiederer: Zur Kritik der Politischen Bildung. Ein Beitrag zur Soziologie und Didaktik der Politischen Unterrichts, 6. Aufl., Frankfurt am Main u. Köln 1977
  • Weber, Max: Soziologie – Weltgeschichtliche Analysen – Politik, Stuttgart 1968
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politik- und Bildungswissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Bildung sowie mit der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und -extremismus.

Dieser Artikel ist Teil von:

Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

→ Zur Übersicht der Grundbegriffe

Vertiefende Dossiers

Diversität
Die Pluralität unserer Gesellschaft muss sich auch in der Didaktik guter politischer Bildung widerspiegeln. Dieses Dossier zeichnet die Grundlagen des didaktischen Umgangs mit Heterogenität nach und führt in die Überlegungen zur Diversität ein.
Dossier
Digitale Praxis
Die politische Erwachsenenbildung wendet sich aktuell vermehrt digitalen Bildungsmöglichkeiten zu und stellt dabei ihre Angebote um. Es ist also höchste Zeit zu reflektieren, wie eine gute, digitale Praxis der politischen Erwachsenenbildung aussehen kann.
Dossier
Geschichte
Die Geschichte der politischen Erwachsenenbildung ist in Deutschland eine lebhafte. Um die heutige Prägung einordnen zu können, bedarf es einer historischen Kontextualisierung, die den verschiedenen Entwicklungsströmen nachspürt und sichtbar macht.
Dossier
Gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung