Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Handlungsorientierung

Handlungsorientierung (HO) meint, dass das in den Kursen und Seminaren Gelernte auch in praktische-politisches Handeln umgesetzt wird. Damit gewinnt das Attribut „politisch“ eine doppelte Bedeutung: Der Gegenstand der Reflexion ist „die“ Politik, sie ist gleichzeitig auch Aktions- und Handlungsfeld.  HO hat mehrere Ebenen und Konsequenzen:

  • Es kann gesellschaftliche Wirklichkeit simuliert werden (z.B. durch Rollen- und Planspiele).
  • Es können Themen und Probleme stofflich bearbeitet werden (Collagen etc.).
  • Es kann Vergangenheit aufgearbeitet, Zukunft antizipiert werden (Geschichts- und Zukunftswerkstätten u. ä.).
  • Es kann die politische und soziale Wirklichkeit in die Bildungsveranstaltung hineingetragen werden (Interviews, Recherchen etc.).
  • Eine Lerngruppe kann Anfragen stellen, Leserbriefe schreiben, eine Unterschriftaktion initiieren.
  • Es kann aus einem Seminar heraus eine Initiative entstehen, die partizipativ Politik gestalten

Bei den beiden letztgenannten Punkten sind mögliche Konflikte vorprogrammiert. Zu ihnen kann es kommen, wenn das administrative, politische oder weltanschauliche Interesse des Trägers der Bildungseinrichtung tangiert wird oder gar mit ihm kollidiert.  

Zweifelsohne war und ist der Zuwachs an politischer Bildung durch die HO groß: Sie fördert Autonomie und baut Hemmungen ab, die Teilnehmenden erwerben sich Kenntnisse der politischen Institutionen sowie der rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen und versschaffen sich ja nach Zielrichtung ihrer Aktionen spezielles politisches Detailwissen.

Aber HO hat auch bildungstheoretische Grenzen: Handlungswissen ist nicht gleich Bildung. Dazu gehört mehr, beispielsweise die Fähigkeit, andere Sichtweisen kennenzulernen oder die Bereitschaft, sich auf Wissen einzulassen, das nicht verwertbar ist.

Doch letztendlich aber gibt es in einer Demokratie keinen Grund, Bildung und Handeln zu trennen. Denn: „Lebendig kann Demokratie nur bleiben, wenn sie durch weitgehende Mitbestimmungsrechte in allen lebenswichtigen Fragen geübt, zur alltäglichen Lebensform und selbstverständlichen Praxis wird.“ (Negt 2010, S. 507)

Weiterlesen:

  • Negt, Oskar (2010): Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform, Göttingen

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politik- und Bildungswissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Bildung sowie mit der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und -extremismus.

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Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

→ Zur Übersicht der Grundbegriffe

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