Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Emanzipatorische Politische Bildung

Mit Oskar Negt lässt sich Emanzipation definieren als „Überwindung eines Zustands von Herrschaft und Abhängigkeit; Freisetzung nicht-manipulierter Bedürfnisse und Abschaffung von Unterdrückung, Unterordnung; Auflösung von Vorurteilen; Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung.“ (Negt 1974, 125)

In der Politikdidaktik rückten in den 1960er-Jahren „Konflikt, Kritik und die Auseinandersetzung mit politischen Streitfragen in den Vordergrund der Bildungsarbeit“ (Gagel 2002, 15). Politische Bildung sollte zur Gesellschaftskritik und Emanzipation beitragen. Protagonisten dieser didaktischen Wende“ waren u.a. Kurt Gerhard Fischer, Wolfgang Hilligen und Hermann Giesecke. In der außerschulischen Politischen Jugendbildung wurde versucht, Ziele wie Selbstbestimmung, Selbstorganisation, „praxisorientiertes kollektives Lernen“ (Damm 1977, 37) in selbstverwalteten Jugendzentren zu realisieren.

Identische Zielideen gibt es in der Politischen Erwachsenenbildung. Mit ihren Bildungsangeboten sollen individuelle und kollektive Emanzipationsprozesse und gesellschaftliche Veränderungen möglich werden. Dafür wurde eine Reihe von charakteristischen politisch-pädagogischen Ansätzen gefunden und entwickelt: Teilnehmendenorientierung, Parteinahme/Parteilichkeit, Handlungsorientierung/politische Aktivierung/Mobilisierung, Stadtteilarbeit, Zielgruppenarbeit.

Emanzipation ist nach wie vor eine Zielvorstellung der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung (siehe Hufer, Oeftering, Oppermann 2021, 255). Allerdings stellen sich angesichts der Megatrends Globalisierung, Individualisierung und Digitalisierung gegenüber früher neue Herausforderungen für emanzipatorische politische Bildung.

Weiterlesen:

  • Damm, Diethelm (1977): Politische Jugendarbeit: Grundlagen, Methoden, Projekte, 2. Aufl., München 1977.
  • Gagel, Walter (2002): Der lange Weg zur demokratischen Schulkultur. Politische Bildung in den fünfziger und sechziger Jahren, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 45, S. 6 –16.
  • Hufer, Klaus-Peter/Oeftering, Tonio, Oppermann, Julia (2021): Positionen der Politischen Bildung 3. Interviews zur außerschulischen Jugend- und zur Erwachsenenbildung, Schwalbach/Ts.
  • Negt, Oskar (1975): Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen, 5. Aufl., Frankfurt/M. u. Köln  
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politik- und Bildungswissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Bildung sowie mit der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und -extremismus.

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Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

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