Startseite » Grundlagen der Politischen Bildung » Politische Bildung – Grundbegriffe der Profession » Kontroversität (Grundbegriffe der Politischen Bildung)
Grundbegriffe
der Politischen Bildung
Kontroversität
Für eine plurale Demokratie konstitutiv ist, dass verschiedene, auch gegensätzliche Interessen aufeinandertreffen und ihre jeweiligen Intentionen durchzusetzen wollen. Es gibt starke, lautstarke, wirkungsmächtige Gruppen, dagegen auch weniger artikulations- und durchsetzungsfähige. Da Politik so verfasst und definiert ist, muss sich das auch in der politischen Bildung widerspiegeln. Kontroversität ist ein elementarer Bestandteil ihrer makro- und mikrodidaktischen Planung. Daher ist es folgerichtig, dass Kontroversität ein Leitsatz des Beutelsbacher Konsens ist: „Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“ (Hans-Georg Wehling, in: Schiele/Schneider 1977, 179)
Dieser Anspruch erfordert eine hohe Professionalität derjenigen, die gehalten sind, ihn im Bildungsprozess zu realisieren. Denn
- müssen Kenntnisse über die kontroversen Standpunkte, Interessen und Ideologien vorhanden sein bzw. erarbeitet werden.
- müssen diese im Kurs bzw. Seminar fair und gleichberechtig präsentiert werden.
- bedarf es entsprechende methodisch-kommunikativer Mittel, um den Prozess der Erkenntnisgewinnung und Perspektivübernahme seitens der Lernenden zu fördern.
- Übersehen wird in der Rezeption des Beutelsbacher Konsens häufig eine vierte Notwendigkeit: „Zu fragen ist, ob der Lehrer (sic!) nicht sogar eine Korrektivfunktion haben sollte, d.h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muß, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen) von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft eher fremd sind.“ (ebd.)
In der Erwachsenenbildung heißt das Äquivalent zu dieser Forderung „Gegensteuerung“ (siehe Artikel „Teilnehmendenorientierung“). Unbestritten bleibt bei der Notwendigkeit, politische und gesellschaftliche Kontroversität in den Bildungsveranstaltungen darzustellen, dass auch Grenzen zu ziehen sind. Politische Bildung hat einen normativen Anspruch, nämlich für soziale Demokratie und für die Beibehaltung der Menschenrechte zu werben und diese zu verteidigen. „Kontroversität“ kann daher nicht bedeuten, den Gegnern dieser Grundprinzipien eine Plattform zu bieten.
Weiterlesen:
Siegfried Schiele/Herbert Schneider (Hrsg.) (1977): Das Konsensproblem in der politischen Bildung, Stuttgart
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politik- und Bildungswissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Bildung sowie mit der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und -extremismus.
Dieser Artikel ist Teil von:
Grundbegriffe der Politischen Bildung
Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.