Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Problemorientierung

Problemorientierung ist in der politischen Bildung ein „Auswahlprinzip“ (Hilligen 1985, 33) für ihre Themen und das didaktische Vorgehen: „Es geht nicht wie bei einer Orientierung an rigide formulierten Lernzielen um abfragbares Wissen und auch nicht um eindeutig definierte Verhaltensweisen […] Die zur Bewältigung der jeweiligen Probleme notwendigen Inhalte und Verhaltensweisen müssen im Hinblick auf die Probleme erschlossen werden.“ (ebd., 33)

Mit Hilfe von „Schlüsselbegriffe[n]“ „sollen „lebenswichtige Probleme unserer Zeit erfaßt werden, so der Politikdidaktiker Wolfgang Hilligen“ (Hilligen 1985, 32). Auch der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki schlägt „die Konzentration auf Schlüsselprobleme unserer Gegenwart und der vermutlichen Zukunft“ vor. (Klafki 1900, 302): Im Einzelnen nennt er Friedenfrage, Umweltfrage, „gesellschaftlich produzierte Ungleichheit“,  die Gefahren und die Möglichkeiten der neuen technischen Steuerungs-. Informations- und Kommunikationsmedien.“, „die Erfahrung der Liebe, der menschlichen Sexualität, des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern oder gleichgeschlechtlicher Beziehungen“ (ebd., 302 – 304, kursiv im Original)

Der Soziologe und Sozialphilosoph Oskar Negt benennt sechs „Kompetenzen, die ihm „als gesellschaftliche Schlüsselqualifikationen dringend notwendig erscheinen; sie können sich eignen, Wesenszusammenhänge der heutigen Welt zu erkennen und die bestehende Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt ihrer notwendigen Umgestaltung der praktischen Kritik zu unterziehen“ (Negt  1994, 283): Identitätskompetenz, Technologische Kompetenz, Gerechtigkeitskompetenz, Ökologische Kompetenz, Ökonomische Kompetenz, Historische Kompetenz (Negt 2010, S. 222 – 234).

Problemorientierung eignet sich für motivierte, selbstbestimmte Lerngruppen, die die Voraussetzung mitbringen, „sich selbst das notwendige Wissen und die notwendige Fähigkeit zur Problemlösung anzueignen“ (Goll 2022, 227).

Weiterlesen:

  • Goll, Thomas: Problemlösung, in: Wolfgang Sander/Kerstin Pohl (Hrsg.): Handbuch politische Bildung, 5. vollständig überarbeitete Auflage, Frankfurt/M. 2022, S. 223 – 230
  • Hilligen, Wolfgang: Zur Didaktik des politischen Unterrichts, 4. Völlig neu bearbeite Auflage, Bonn 1985
  • Klafki, Wolfgang: Allgemeinbildung für eine humane, fundamentaldemokratisch gestaltete Gesellschaft, in: Umbrüche in der Industriegesellschaft. Herausforderungen für die politischen Bildung, Bonn 1990, S. 297 – 310
  • Negt, Oskar: Wir brauchen eine zweite, eine gesamtdeutsche Bildungsreform, in: Oskar Negt  (Hrsg.): Die zweite Gesellschaftsreform. 27 Plädoyers, Göttingen 1994, S. 276 – 290
  • Negt, Oskar: „Politische Bildung ist die Befreiung der Menschen“, in Klaus-Peter Hufer/Kerstin     Pohl/Imke Scheurich (Hrsg.): Positionen der Politischen Bildung 2. Ein Interviewbuch zur außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung, Schwalbach/Ts. 2004, S. 194 – 213
  • Negt, Oskar: Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform, 3. Aufl., Göttingen 2010
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politik- und Bildungswissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Bildung sowie mit der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und -extremismus.

Dieser Artikel ist Teil von:

Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

→ Zur Übersicht der Grundbegriffe

Vertiefende Dossiers

Diversität
Die Pluralität unserer Gesellschaft muss sich auch in der Didaktik guter politischer Bildung widerspiegeln. Dieses Dossier zeichnet die Grundlagen des didaktischen Umgangs mit Heterogenität nach und führt in die Überlegungen zur Diversität ein.
Dossier
Digitale Praxis
Die politische Erwachsenenbildung wendet sich aktuell vermehrt digitalen Bildungsmöglichkeiten zu und stellt dabei ihre Angebote um. Es ist also höchste Zeit zu reflektieren, wie eine gute, digitale Praxis der politischen Erwachsenenbildung aussehen kann.
Dossier
Geschichte
Die Geschichte der politischen Erwachsenenbildung ist in Deutschland eine lebhafte. Um die heutige Prägung einordnen zu können, bedarf es einer historischen Kontextualisierung, die den verschiedenen Entwicklungsströmen nachspürt und sichtbar macht.
Dossier
Gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung