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Grundbegriffe
der Politischen Bildung
Exemplarisches Lernen
Werfen wir einen Blick in den Duden, dann ist mit „exemplarisch“ das Geben bzw. Liefern eines aufschlussreichen Beispiels gemeint. Exemplarisches Lernen meint dementsprechend die Wissensvermittlung und -aneignung mithilfe eines verständlichen oder anschaulichen Beispiels.
Blicken wir auf wissenschaftliche Definitionen des exemplarischen Lernens, so erkennen wir unterschiedliche Ansätze; grundsätzlich gemein ist ihnen, dass sie ein didaktisches Prinzip umfassen. Das didaktische Prinzip des exemplarischen Lernens wurde u.a. in Rahmen der didaktischen Analyse in der kategorialen Bildung durch Wolfgang Klafki entwickelt (vgl. Klafki 1996). Wesentlich ist die Vermittlung von Fähigkeiten zur Induktion (Abstrahierung), Deduktion (Konkretisierung) und Analogiebildung, um einen Sachverhalt besser verstehen zu können. Den Lernenden sollen an ausgewählten Beispielen das selbsttätige Verständnis übergreifender Bezüge ermöglicht werden.
Außerdem prägte der Physiker und Pädagoge Martin Wagenschein das didaktische Prinzip des exemplarischen Lernens. Exemplarisch ist ein Sachverhalt oder Gegenstand laut Wagenschein dann, wenn er
- die Eigenart der Disziplin oder des Fachs besonders klar sichtbar macht,
- er eine starke innere Problematik aufweist,
- wenn er für ähnliche Fälle ein Vergleichsfall sein kann,
- wenn er besonders gut angewendet werden kann und
- wenn er es ermöglicht, ethische Grundsätze an ihm zu entwickeln (siehe Knübel 1960: 10-11).
Oskar Negt, Soziologe und politischer Erwachsenenbildner, übertrug das Konzept des exemplarischen Lernens in den 1970er-Jahren auf die politische (Erwachsenen-)Bildung. „Für ihn geht es aus Sicht des exemplarischen Lernens darum, das Besondere in der Lebenswelt des Einzelnen mit dem Allgemeinen in Gesellschaft und Politik in Verbindung zu bringen […]. Dabei setzt er am Bewusstsein der Lernenden an, d. h. ihrem Selbst- und Weltverständnis sowie ihren Erfahrungen im Alltag und deren Reflexion.“ (Görtler 2016: 19). Exemplarisches Lernen ermöglicht es somit laut Negt, „von Einzelerscheinungen ausgehend gesellschaftliche Prozesse und Strukturen [zu, TfB] erklären“ (Negt 1975: 29).
Weiterlesen
- Görtler, Michael (2016): Politische Erwachsenenbildung und Zeit. In: Zeitschrift für Weiterbildungsforschung – Report, Nr. 39, S. 9–25, online: https://link.springer.com/article/10.1007/s40955-016-0052-2#citeas (zuletzt abgerufen am 14.04.2022)
- Klafki, Wolfgang (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik (5. Aufl.). Weinheim/Basel
- Knübel, Hans (1960): Exemplarisches Arbeiten im Erdkundeunterricht. Braunschweig
- Negt, Oskar (1975): Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen. Zur Theorie und Praxis der Arbeiterbildung (5. Aufl.). Frankfurt am Main/Köln
Transfer für Bildung e.V.
Der Verein Transfer für Bildung e.V. setzt sich für die politische und kulturelle Bildung ein. Er fördert deren Beforschung, Beratung und Begleitung der Praxis und unterstützt den Dialog von Wissenschaft, Praxis und Politik in diesen Bereichen.
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Grundbegriffe der Politischen Bildung
Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.