Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Rassismus

Rassismus (R) lässt sich als hegemoniales Deutungsmuster einer dominierenden Gruppe charakterisieren. Als solches bewirkt R., dass Menschen nicht als Individuen, sondern als Teil einer homogenen Gruppe wahrgenommen werden und auf der Grundlage vermeintlich biologischer Kriterien, wie sie im Begriff der „Rasse“ zum Ausdruck kommen, ihre Abwertung, Ausgrenzung und Unterdrückung legitimiert werden (vgl. Zick/Küpper 2008, 111).

Rassismus fungiert in diesem Zusammenhang somit einerseits als Rechtfertigung oder Erklärung von Herrschaftsverhältnissen und sozialer Benachteiligung. Zugleich erfüllt Rassismus dabei jedoch eine sinnstiftende Wissensfunktion. Ähnlich einem Mythos rechtfertigt er die Zuweisung der sozialen Position von Menschen oder Gruppen aus Perspektive der Herrschenden. In diesem Zuge bewirkt R., eine Setzung des „weiß-Seins“ als gesellschaftliche Norm, nach deren Maßstab „Nichtweiße“ als das davon Abweichende/Andere konstruiert werden (vgl. Bönkost 2016, 3). Hierbei kann Rassismus als Ideologie eine derartig gewaltvolle Wirkung erzielen, dass er bis in das Denken der Betroffenen vordringt.  Infolgedessen werden diese jeglicher Vorstellung, anders zu denken und zu handeln, beraubt, sodass die Betroffenen die Unterdrückung als körperlich eingeschriebenen Zwang mitreproduzieren. (vgl. Fanon 2013, S.79, S.101).

Rassismuskritisch in der politischen Bildung zu arbeiten, bedeutet daher für Lernende und Lehrende, sich kritisch mit der eigenen Position und der daraus resultierenden Perspektive auseinanderzusetzen. Dabei gilt es

  1. Vorurteile sichtbar zu machen und anzuerkennen
  2. ein Bewusstsein für die Verstrickung der persönlichen Perspektive in gesellschaftliche Machtstrukturen zu schaffen. Hier ist von besonderer Bedeutung, die Privilegien des „weiß-Seins“ sichtbar zu machen.
  3. die bestehenden Machtgefälle auszugleichen und die Betroffenen darin zu (be)stärken, für sich zu sprechen.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei, R. nicht einfach als eine „falsche Form des Denkens“ aufzufassen, sondern vielmehr als tief verankerte zugleich aber erlernte Empfindung zu verstehen, welche oftmals unbewusst zum Ausdruck kommt (vgl. Bönkost 2016, S. 3). Genau dieses ignorante „Unbewusstsein“ der eigenen Vorurteile und Gefühlen sowie deren Verstrickung mit dem bestehenden Machtungleichgewicht in Institutionen, können zur strukturellen Diskriminierung der Betroffenen führen (vgl. Gomolla & Ratdke 2009, 276).

Rassismuskritische Bildungsarbeit darf demzufolge nicht als reine Aufklärungsarbeit verstanden werden, sondern vielmehr als das schrittweise Freilegen der rassistischen Sedimente im Bewusstsein, bis man an deren emotionalen Kern vorgedrungen ist. Dann beginnt die eigentliche Arbeit: Die schmerzhafte Auseinandersetzung mit der diskriminierenden Wirkung der persönlichen Gefühle und deren Verstrickung in gesellschaftliche Machtstrukturen.

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Sebastian Oschwald

Sebastian Oschwald

Sebastian Oschwald ist Soziologe M.A. und seit Juni 2021 für ufuq.de als Projektkoordination und wissenschaftliche Leitung der Fachstelle in Bayern tätig. In diesem Rahmen ist er zuständig für die Konzeption und Umsetzung von Fortbildungen, Anfragen für Projektkooperationen und Initiativen zur Öffentlichkeitsarbeit sowie die wissenschaftliche Erarbeitung neuer Präventionsmaßnahmen und ihre Übertragung in die Praxis.

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Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

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