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Grundbegriffe
der Politischen Bildung
Politik
Es gibt zwei Einschätzungen davon, wo Politik vorrangig wirkt: Einmal wird Politik vor allem dem System, seinen Institutionen und Prozessen zugeordnet (enger Politikbegriff). Zum anderen werden die politisch relevanteren Entscheidungen und Veränderungen in Gesellschaft, Alltag und Lebenswelt festgemacht (weiter Politikbegriff).
Der Soziologe Ulrich Beck hat von der „Entgrenzung“, „Entörtlichung“ und „Entmachtung“ von Politik geschrieben (Beck 1986, 311). Die Folge: „Das politisch-administrative System kann […] nicht länger einziger oder zentraler Ort des politischen Geschehens sein“ (ebd., 313). Der Politikwissenschaftler Michael Th. Greven pflichtete diesem Befund bei: „Politik ist heute nicht mehr mit dem klassischen Staatsbegriff und seiner hoheitlichen Verwaltung gleichzusetzen oder engzuführen.“ (Greven 1995, 263)
Fest steht, dass in einer pluralen, individualisierten Gesellschaft und in einer globalen Welt zivilgesellschaftliche Gruppen und NGOs (Non-governmental organizations) bzw. NROs (Nicht-Regierungsorganisationen) eine wachsende Bedeutung haben.
Auch die Handlungen und Entscheidungen einzelner sind politisch bedeutsam: das Kaufen und Konsumieren, die Wahl des Energieträgers oder Verkehrsmittels, die Gestaltung von privaten Beziehungen, das Wohnen, das Benutzen von Kommunikationsmitteln, die Rezeption von Informationen u.v.m. Es gibt viele Wege und Felder, um politisch zu sein. Daher folgern die Vertreter*innen eines weiten Politikbegriffs: „Wir suchen das Politische am falschen Ort, mit den falschen Begriffen, in den falschen Etagen, auf den falschen Seiten der Tageszeitungen“ (Beck 1993, 157).
Auch in der politischen Erwachsenenbildung ist seit langem die Rede davon, dass „Politik auswandert“ (Heinen-Tenrich 1987). Es geht also nicht mehr allein um die „Themen herkömmlicher Politik […], sondern Fragen der Lebensqualität, der individuellen Selbstverwirklichung, der Lebensgestaltung auch im Nahbereich, des sozialen Zusammenlebens und der sozialen Kompetenz und Sensibilität bestimmen immer stärker die Lernprozesse“ (ebd., S. 37).
Weiterlesen:
- Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/M.
- Beck, Ulrich (1993): Die Erfindung des Politischen. Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung, Frankfurt/M.
- Greven, Michael Th. (1995): Die Pluralisierung politischer Gesellschaften. Kann die Demokratie bestehen?, in: Thomas Jäger/Dieter Hoffmann (Hrsg.): Demokratie in der Krise? Zukunft der Demokratie, Opladen, S. 257 – 281
- Heinen-Tenrich, Jürgen (1987): Politische Bildung wandert aus…, in: Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung Heft 20/Dez., S. 33 – 41
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politik- und Bildungswissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Bildung sowie mit der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und -extremismus.
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Grundbegriffe der Politischen Bildung
Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.