Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Partizipation

Partizipation steht für Teilhabe, Teilnahme, Beteiligtsein an (demokratischen) Prozessen und Entscheidungen. Das Verständnis von Partizipation ist in pädagogischen Zusammenhängen in der Regel an demokratische Gesellschafts- und Politikmodelle gebunden. So versteht der Bildungswissenschaftler Horst Biedermann Partizipation als

„freiwillige Teilnahme an öffentlichen – im Sinne von allen Mitgliedern offenstehenden –, gemeinschaftlichen Entscheidungsprozessen, wobei der Prozess zur Entscheidungsfindung auf Diskursivität gründet und durch klar definierte – möglichst ausgeglichene – Machtverteilung auf alle und Verantwortungsübernahme von allen Beteiligten gekennzeichnet ist“ (Biedermann 2006: 116).

Für Oser, Ullrich und Biedermann gehört auch dazu, dass es um Entscheidungen geht, die „der Kontroverse und des Mutes, für das Rechte einzustehen, bedürfen“ (Oser u. a. 2000: 13). Damit ist „für die politische Bildung […] Partizipation ein Schlüsselbegriff, an dem sich ihre Legitimation und Aufgaben erörtern lassen. Politische Bildung ist im Kern Demokratiebildung und Demokratie gründet als Herrschaft der Vielen auf der politischen Partizipation des oder der einzelnen“ (Achour et al 2020: 159). 

 Je nach pädagogischem Handlungsfeld wird Partizipation unterschiedlich definiert. Für die Jugendarbeit ist Partizipation Handlungsmaxime und Wirkungsziel (rechtlich geregelt im SGB VIII). Partizipation wird als Grundrecht und Grundprinzip von Selbstbildung verstanden: „Wenn man also Subjekt des eigenen Lernens ist, muss die Person dieses auch mitbestimmen können und es muss die aktive gemeinschaftliche Selbstgestaltung des Lernens und Lebens gefördert werden. Pädagogische Aufgabe wird die Assistenz und Ermöglichung solcher Bildung und nicht die Vorbestimmung und Manipulation“ Sturzenhecker 2005: 31). Auch in der Schulpädagogik wird Partizipation von Schüler*innen als Bildungsziel und Gestaltungsprinzip diskutiert. Hierbei sind Stufenmodelle vorherrschend, die u.a. verschiedene Grade von Partizipation an verschiedene Entwicklungsstufen von Kindern und Jugendlichen knüpfen und/oder zwischen Partizipation und Scheinpartizipation unterscheiden (vgl. Becker 2014: 6ff.). Die Begründungen für Partizipation variieren stark zwischen pädagogischen Gesichtspunkten (Partizipation erhöht die Lernbereitschaft) und politischen (Becker 2014: 11ff.).  

 Politische Partizipation zeigt sich in vielen Facetten, unter anderem in der Form von Wahlbeteiligung, anhand von (Mit)-Gestaltungsmöglichkeiten wie zivilgesellschaftliches Engagement, Teilhabe an (öffentlichen) Diskussionen oder z.B. die Gründung von Interessensverbänden oder Bürgerforen. Auch Protest gilt als „politischer Partizipationsmodus eigenen Rechts“ (Szukala/Oeftering 2020: 7). Partizipation basiert generell auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Jedoch finden sich in „in nahezu allen Partizipationsräumen […] mehr oder weniger offensichtliche Hierarchien, etwa mit Parteiämtern vergleichbare Funktionen oder informelle Machtstrukturen“ (Klatt 2012) – nicht zuletzt deshalb, weil sich Ungleichheit auch in den Möglichkeiten zu partizipieren fortsetzt. Daher wird in Demokratien immer wieder ausgehandelt, wie politische Partizipation, beispielweise von Jugend (z.B. durch eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre) oder von wenig repräsentierten Bevölkerungsgruppen vorangetrieben werden kann.  

 Die Politische Bildung kann Wege und Möglichkeiten bieten, auch in der Form von konkreten (Beteiligungs-)Angeboten, um politische Gleichheit und politische Partizipation zu fördern (vgl. Harles/Lange 2015: 48). Sie muss dazu allerdings nicht nur kritisch reflektieren, wer warum welche Bildungsgelegenheiten (nicht) hat, sondern auch, wer an Angeboten politischer Bildung (nicht) teilnimmt bzw. wie politische Bildung selbst zu Ungleichheit beiträgt (vgl. Transferstelle politische Bildung 2017).  

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Transfer für Bildung e.V.

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Der Verein Transfer für Bildung e.V. setzt sich für die politische und kulturelle Bildung ein. Er fördert deren Beforschung, Beratung und Begleitung der Praxis und unterstützt den Dialog von Wissenschaft, Praxis und Politik in diesen Bereichen.

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Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

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