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Digitale Praxis
der Politischen Bildung
„Hallo, ich bin Ebert!“ Friedrich-Ebert-Stiftung bietet Politische Bildung im Chat
Eintreten für faire Debatten im Netz – mit dem „e-Bert“ bietet die Friedrich-Ebert-Stiftung ein Online-Tool, das spielerisch zeigt, wie man gegen populistische Stimmungsmache im Netz argumentieren kann. Der folgende Beitrag stellt „e-Bert“, seine Ziele und Besonderheiten vor.
„Sieh an, was ich auf meiner Reise so finden konnte“ (e-Bert) – Hetze und Vorurteile im Netz
Politik ist Thema in den sozialen Medien – doch der Ton in Kommentarspalten ist oft rau und nicht alle Debatten helfen auf der Suche nach Lösungen für aktuelle Herausforderungen. Fake News, Halbwahrheiten und Vorurteile, teils gezielt gestreut, teils unhinterfragt geteilt, Beleidigungen und Hetze gegen Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft finden sich in den sozialen Medien und werden in den eigenen Kommunikationskreisen geteilt. Eintreten für faire Debatten im Netz und über das Netz hinaus stellt damit ein wichtiges Thema für die politische Bildungsarbeit dar.
→ Inhalt
Kein Alltag ohne Messenger – Kommunikation, Information und Lernen im Alltag
Kommunikation über Messengerdienste ist überall im Alltag präsent. Folgt man der aktuellen ARD/ZDF-Onlinestudie, werden Messengerdienste medialen Alltagskommunikation immer wichtiger. 2020 nutzten täglich 68% der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren Messenger-Dienste wie WhatsApp, den Facebook-Messenger, Threema und Telegram.1
Laut Bundesnetzagentur nutzt die Gruppe der 16- bis 44-Jährigen Online-Kommunikationsdienste besonders intensiv. In dieser Altersspanne sind es weit über 90%. Auch Online-Communities spielen bei der Individualkommunikation, insbesondere bei Nutzer*innen im Alter bis 49 Jahren eine Rolle. Die Zahlen sind beachtlich, wenn bedacht wird, dass damit auch täglich viele Menschen mit problematischen Inhalten konfrontiert werden. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap für die Vodafone Stiftung aus 2021 gaben 61 Prozent der 14- bis 24-Jährigen an, im Chat schon einmal Nachrichten mit falschen Inhalten geschickt bekommen zu haben, die Hälfte der Befragten hat dort schon einmal persönliche Angriffe oder Beleidigungen erlebt
"Es ist wichtig für faire Debatten im Netz einzutreten, aber auch dass politische Bildung im Chat Menschen direkt in ihrem Alltag erreichen kann und auch diejenigen ansprechen kann, die mangels Zeit oder aufgrund anderer Lerngewohnheiten selten in einem Seminar zur politischen Bildung zu finden sind."
Kerstin Ott, Friedrich-Ebert-Stiftung
Im Frühjahr 2020 schränkte beispielsweise der Messengerdienst WhatsApp die Weiterleitung von bereits oft geteilten Inhalten ein, um das Aufkommen von Falschmeldungen und Gerüchten zur Corona-Pandemie einzudämmen. Die Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, für faire Debatten im Netz einzutreten, aber auch dass politische Bildung im Chat Menschen direkt in ihrem Alltag erreichen kann und auch diejenigen ansprechen kann, die mangels Zeit oder aufgrund anderer Lerngewohnheiten selten in einem Seminar zur politischen Bildung zu finden sind.
Der e-Bert als digitales Selbstlerntool setzt an dieser Stelle und in genau diesem Umfeld an. Faires Argumentieren und Gegenrede gegen Hetze und Halbwahrheiten sollen da trainiert werden, wo es nötig ist – im Chat und unabhängig von einem festen Ort oder einer festen Zeit. Daher kann der e-Bert direkt im Facebook-Messenger oder mit der e-Bert WebApp gespielt werden
Faire Debatten im Netz! – Die Ziele des e-Berts
Der e-Bert eröffnet spielerisch Möglichkeiten, Argumentationsstrategien gegen Parolen zu erlernen und anzuwenden, vermittelt aber auch in den aktuellen Themensträngen „Klimamythen knacken“ und „Argumentieren für Europa“ wichtiges Wissen über Klimapolitik und Demokratie und Zusammenarbeit in Europa. Denn beides ist nötig für faire Debatten im Netz: gute Gesprächsstrategien, aber auch gute inhaltliche Argumente. Im Idealfall werden Spieler*innen dann selbst aktiv und schalten sich in Debatten ein.
Die Themenfelder sind nicht zufällig gewählt: Europa und Klimapolitik sind aktuelle Themenfelder, die demokratiefeindliche Akteur*innen neben klassischer menschenfeindlicher Hetze aufgreifen. Ein weiterer Themenstrang „Corona Spezial: fair aus der Krise“ zu demokratiefeindlichen Parolen und Verschwörungserzählungen zur Corona-Krise folgt.
Dieses Dossier widmet sich dem Umbruch- und Transformationsprozess der Digitalisierung. Neben spannenden (Fach)Artikeln präsentieren wir auch gelungene Best-Practice-Beispiele, welche den Weg weisen können in eine gute digitale Praxis.
Dass online diskutiert wird und das Netz zu einem zentralen Ort direkter politischer Kommunikation wird, überrascht angesichts der Nutzungszahlen kaum. Ziel sind daher faire Debatten und starke Gegenreaktionen da, wo Populist*innen laut sind, um auch dort eine konstruktive Auseinandersetzung zu stärken. Wichtig dabei: wie wir im Netz miteinander diskutieren, prägt auch unsere Kommunikation über das Netz hinaus. Damit ist der e-Bert politische Bildung im Chat und über das Netz hinaus. Er ermutigt, in schwierigen Gesprächssituationen sich zu Wort zu melden und trainiert „den einen Satz, auf den es ankommt“, um diesen Einstieg konstruktiv zu gestalten.
Die Zielgruppe sind politisch Interessierte und Engagementbereite, die populitischer Stimmungsmache in politischen Debatten entgegentreten möchten – aber auch alle, die gerne online lernen, spielen und kommunizieren.
Was würdest Du auf diesen Post antworten? – Ein Ausflug in die Netz-Wirklichkeit
Der e-Bert stellt eine fiktive, aber originalgetreu gestaltete Chat-Situation dar. Die Postings, gegen die argumentiert werden soll, beruhen auf Beobachtungen in den sozialen Netzwerken – sogenannte Social Media Listenings – und bringen Spieler*innen so in die Wirklichkeit. Die originale Chat-Situation wird begleitet durch Emojis, Gifs und Bilder, sodass sich der e-Bert wie ein echter Chatverlauf liest. Sogar ein Tweet von Donald Trump mit einer Falschbehauptung zum Klimawandel ist eingebaut. So kann der Ausflug in die Online-Wirklichkeit tatsächlich gelingen.
Argumentieren für Europa und Klimamythen knacken
Derzeit bietet der e-Bert sein Kommunikationscoaching für zwei Themenstränge an. Im Themenstrang „Argumentieren für Europa“ trainiert das Tool mit allen Interessierten, wie man auf antieuropäische und rechts-populistische Parolen im Netz reagiert.
Dabei geht es gesondert um die Finanzen und die Geldpolitik der Europäischen Union, Europa und das Verhältnis zu Anderen – hier wird auch das Thema Migration aufgegriffen – und die EU als politisches System. Alle eingespeisten Posts stellen die bisherigen Errungenschaften unserer Zusammenarbeit in Europa in Frage. In einem zweiten Themenstrang „Klimamythen knacken“ trainiert der e-Bert eine Auseinandersetzung mit Halbwahrheiten und Mythen, die eine sozialverträgliche und zukunftsfähige Klimapolitik in Frage stellen. Subthemen sind in diesem Strang die technische Machbarkeit besonders einer Energie- und Mobilitätswende, die soziale Verträglichkeit ebendieser und die Frage danach, wer die Verantwortung für die nötigen Veränderungen angesichts der Klimakrise trägt und was die Konsequenzen aus dieser Verantwortung sind.
Ein Blick hinter die Kulissen – wie funktioniert der e-Bert?
Eine klassische Spielrunde besteht aus vier bis fünf fiktiven, aber realitätsgetreuen Ausgangs-Posts, auf die reagiert werden muss. Auf einen Post folgen drei Antwortmöglichkeiten, die der e-Bert vorschlägt. Wählt man eine der Antwortmöglichkeiten aus, folgt darauf eine Reaktion der Poster*in. Der e-Bert bietet dann wieder zwei Antwortmöglichkeiten an. In einer Spielrunde gibt es fünf solcher Mini-Gespräche. Hinzu kommen weiterführende Links bei Informationsbedarf, Infografiken, Erklärungen sowie Quizfragen, bei denen die Spieler*innen Antworten auswählen oder in den Chat tippen können. Am Ende einer solchen 10-minütigen Spielrunde wertet der e-Bert die Kommunikationsfähigkeiten und das inhaltliche Wissen aus und vergibt einen Kommunikations- und Inhaltsscore. Einzelne rhetorische Tricks und Kniffe erläutert der e-Bert bereits im Spiel, eine Zusammenfassung der Argumentationsstratgien können sich User*innen aber auch am Ende noch einmal anschauen und sich weiter informieren. Zu den beiden Themen „Argumentieren für Europa“ und „Klimamythen knacken“ werden jeweils drei Spielrunden angeboten.
Der „e-Bert“ ging erstmals im Mai 2019 vor der Europa-Wahl an den Start und wurde entwickelt als mobiles digitales Bildungsangebot in der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
(Digitale) Kommunikation verändern – der „e-Bert“ bietet einen Mehrwert
Auch beim „e-Bert“ gilt: „Vor dem Spiel ist nach dem Spiel“. Der „e-Bert“ bietet genau diesen Mehrwert an, dort zu lernen, wo das Gelernte unmittelbar genutzt werden kann. Durch weiterführende Links, Erklärungen der relevanten Inhalte, Vertiefungsangebote, ausführliche Argumentationsstratgien und ein Feedback können sich politisch Interessierte zusätzlich weiterbilden und sich für faire Debatten im Netz bereit machen. Das Selbstlerntool „e-Bert“ ersetzt keine vertiefende politische Bildung, sondern ergänzt diese direkt im Kommunikationsalltag der Lerner*innen. Politische Bildung im Chat – mit dem e-Bert gibt es ein Training gegen politische Stimmungsmache direkt am Ort des Geschehens.Kerstin Ott
Kerstin Ott arbeitet als Referentin in der Abteilung Politische Bildung und Dialog der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Dort leitet sie das Forum Jugend und Politik und ist zudem für den „e-Bert“ verantwortlich. Der „e-Bert“ entsteht in stiftungsweiten Projektteams, die die didaktische mit der jeweiligen fachlichen Expertise zusammenbringen. An dem Artikel mitgearbeitet hat Laureen Hannig, freie Mitarbeiterin im aktuellen e-Bert-Team.