Grundbegriffe
der Politischen Bildung

Powersharing

Powersharing heißt übersetzt Macht oder Einfluss teilen. Es ist ein machtkritischer Entwurf, der eine Haltung und Handlungsstrategie gegen u.a. Rassismus, Antisemitismus, Klassismus, Ableismus, Sexismus und gegen anderen intersektionalen Diskriminierungsformen entwickelt. Im Gegensatz zum Empowermentansatz spricht Powersharing Menschen in einer privilegierten politischen und gesellschaftlichen Position an, die aus einer politischen Motivation heraus die ungleiche Macht- und Ressourcenverteilung verändern wollen. Sie können aus ihrer Machtposition heraus die Strukturen hin zu einer gerechteren Verteilung von Zugängen zu Macht, Partizipation und Lebenschancen verändern (vgl. Nassir-Shanian 2020: 29).

Wie funktioniert Powersharing? Zuerst muss die privilegierte Person die gesellschaftlichen und politischen Strukturen als ungleich er- und anerkennen. Darauf aufbauend sollten die eigenen, von Herkunft, Hautfarbe, Bildungsstand, Habitus, Netzwerke, Nationalität, Gender, Wohlstand, Klassenzugehörigkeit und Zugang zu sonstigen Kapitalien bestimmten Privilegien wahrgenommen und reflektiert werden. Dies sollte zu einer Veränderung der eigenen Haltung führen. Die aufgrund der Positioniertheit verfügbaren Handlungsmöglichkeiten werden dahingehend analysiert, wie diese – notfalls auch gegen die eigenen (Macht-)Interessen – für eine solidarische und gerechtere Gesellschaft eingesetzt werden können.

Powersharing sollte nicht auf eine paternalistische Art und Weise geschehen und verlangt keine entsprechende Gegenleistung (vgl. Nassir-Shanian 2015; Rosenstreich 2020: 233).

Powersharing kann auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden, die hier kurz beispielhaft für die politische Bildung vorgestellt werden sollen: Beim individuellen oder kollektiven Powersharing stellt eine engagierte Einzelperson oder eben eine Gruppe gebündelt ihre Ressourcen wie Räume, Infrastruktur, Wissen, Kontakte, Finanzen, Materialien usw. strukturell diskriminierten Menschen zur (Selbst-)Stärkung zu Verfügung. In der politischen Jugendarbeit wie auch in anderen Feldern geht es erst einmal darum zuzuhören was Jugendliche für Bedürfnisse und Wünsche haben und dann wie kann man sie bei der Umsetzung unterstützen. Welche Aufgaben darf ich übernehmen? Aus welchen Räumen und Entscheidungsprozessen ziehe ich mich zurück?

Beim institutionellen Powersharing liegt das Handeln von einzelnen oder mehreren Machtstärkeren darin, fehlende Diversität in ihrer/ihren Organisationen und Institutionen anzuerkennen und aus ihrer/ihren Macht- und Handlungsmöglichkeiten Öffnungsprozesse zu unterstützen oder anzustoßen. Hier kann auch eine externe Beratung helfen. Die Praxis der Stellenausschreibung und –besetzung wird so unter die Lupe genommen. Ebenso müssen inoffizielle Wissenshierarchien abgebaut und möglichst alle Mitarbeitende in Entscheidungs- und Strategieprozesse eingebunden werden. Strukturelles Powersharing bedeutet

Machtstärkere Personen handeln individuell und/oder kollektiv dahingehend, dass gesellschaftlich politische und diskursive Strukturen, die Diskriminierung und Machtdifferenz (re-)produzieren, aufgedeckt und problematisiert werden.  Diese Personen in Entscheidungsfunktionen können beispielsweise zusammen mit Selbstorganisationen gemeinsame Strategien zur Überwindung der gesellschaftlichen Ungleichheiten entwickeln sowie ihre öffentliche Reichweite zur Verfügung stellen (vgl. Can 2022: 412f).

Weiterlesen:

  • Can, Halil (2022): Doing Empowersharing – Empowerment und Powersharing als machtkritische und inklusive Handlungsstrategie gegen Rassismus und intersektionale Diskriminierungen. In: Mecheril, Paul / Rangger, Matthias (Hrsg.): Handeln in Organisationen der Migrationsgesellschaft. Differenz- und machttheoretische Reflexionen einer praxisorientieren Fortbildungsreihe. Wiesbaden: Springer VS, S. 397-418.
  • Nassir-Shahnian, Natascha Anahita (2020): Powersharing. Es gibt nichts Gutes, außer wir tun es! Vom bewussten Umgang mit Privilegien und der Verantwortlichkeit für soziale (Un-)Gerechtigkeit. In: Jagusch, Birgit / Chehata, Yasmine (Hrsg.): Empowerment und Powersharing. Ankerpunkte – Positionierung – Arenen. Weinheim: Beltz Juventa, S. 29-42.
  • Nassir-Shahnian, Natascha Anahita (2015): Powersharing: Was machen mit Macht?! Im Internet: https://antifra.blog.rosalux.de/powersharing-was-machen-mit-macht/, zuletzt zugegriffen: 25.09.2022
  • Rosenstreich, Gabriele (2020): Empowerment und Powersharing unter intersektionaler Perspektive. In: Jagusch, Birgit / Chehata, Yasmine (Hrsg.): Empowerment und Powersharing. Ankerpunkte – Positionierung – Arenen. Weinheim: Beltz Juventa, S. 227-238.
Eileen König

Eileen König

Eileen König ist als Referent*in tätig bei der Amadeu Antonio Stiftung. Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet.

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Grundbegriffe der Politischen Bildung

Um Kontroversen, Positionen und Perspektiven in der Politischen Bildung einordnen zu können, braucht es Wissen um dahinterliegende Diskurse. Die Traditionslinien der Politischen Bildung schlagen sich dabei auch im Fachvokabular der Profession nieder. Die Begriffsprägungen zeigen somit Erkenntnisse, Konsense aber auch Konfliktlinien innerhalb des Fachdiskurses an. Der hierbei entstehende argumentative Dialog ringt dabei zugleich um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam mit unseren Autor*innen aus der Politischen Bildung stellen wir an dieser Stelle Grundbegriffe der Politischen Bildung vor.

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